Rezension zum Film von Ken Loach Land and Freedom

Kultur

Die von Ken Loach erzählte Geschichte basiert zu einem grossen Teil auf den Berichten von George Orwell, der 1936 und 1937 selbst als Freiwilliger in der POUM-Miliz gekämpft hat. In seinem Buch 'Mein Katalonien' finden sich viele Details, die in 'Land and Freedom' aufgegriffen werden.

Ken Loach
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Ken Loach Foto: Ozgurgerilla (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

8. September 2011
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6 min.
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Liverpool, 1995. Vermutlich nach einer Herzattacke bringen Sanitäter einen alten Mann mit Blaulicht und Martinshorn ins Krankenhaus. Doch vergeblich, bereits auf dem Weg dorthin stirbt er, beweint von seiner Enkelin. Sie scheint ein enges Verhältnis zu ihrem Grossvater gehabt zu haben, denn sie ist es, die sich kurz nach dessen Tod um seine Habseligkeiten kümmert. Dabei findet sie auch eine Schachtel mit alten Zeitungsausschnitten – britische Zeitungen, die über den Spanischen Bürgerkrieg berichten – sowie Briefe von ihm, David Carr, an seine Verlobte Kitty. Darin berichtet er ihr von seinen Erlebnissen in den euphorischen und tragischen Tagen in Spanien.

Spanien, 1936. Nachdem Antifaschisten aus Spanien in England von der Situation in ihrem Land berichtet haben, brechen viele Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt auf, um in Spanien gegen Franco zu kämpfen. Sie machen das jedoch nicht nur, um gegen Franco zu kämpfen, sondern auch, weil Spanien zu dieser Zeit das einzige Land neben Mexiko und Russland ist, in welchem der Traum von einer sozialistischen Gesellschaft wahr zu werden scheint. Und gerade diese muss gegen Franco verteidigt werden.

Auch David Carr (Ian Hart) sitzt schliesslich in einem Eisenbahnwaggon in Richtung Barcelona. Dort schliesst er sich der POUM an, obwohl er eigentlich Mitglied der Kommunistischen Partei ist. Nach einigen kurzen Einweisungen in Barcelona gelangt er als Teil der Miliz schliesslich an die Front, nach Aragonien.

In seiner Miliz gibt es keine wirklichen Soldaten. Er ist Teil einer Gruppe, die ebenfalls zum Grossteil aus Ausländern besteht, die freiwillig nach Spanien gekommen sind – Schotten, Franzosen, Deutsche, Amerikaner, Mexikaner. Und nicht nur das, an seiner Seite kämpfen auch Frauen, darunter Blanca (Rosana Pastor) und Maite (Icíar Bollaín). Zusammen mit Lawrence (Tim Gilroy), Juan (Marc Martínez) und Bernard (Frederic Pierrot) verteidigen sie im Stellungskrieg die Front. Dabei stellen sich die und Läuse und die Langeweile als die grössten Probleme heraus, denn ausser einigen wenigen Schusswechseln passiert wenig. Nach England berichtet er jedoch seine Eindrücke in der Miliz. Niemand salutiere hier, es gebe keine Hierarchie, die Anführer würden gewählt; ja, er befinde sich hier im gelebten Sozialismus! Das wird auch deutlich nachdem die Miliz unter Opfern ein Dorf von der Besetzung durch faschistische Truppen befreit hat.

Im Gemeindehaus wird über die Zukunft des Dorfes diskutiert und diesmal kommen alle zu Wort. Obwohl es unterschiedliche Meinungen gibt, am Ende wird schliesslich jeglicher Privatbesitz kollektiviert und die Revolution scheint auch hier auf fruchtbaren Boden zu fallen.

Wer die Geschichte Spaniens dieser Tage kennt, kennt auch das Ende der Geschichte (Wer nicht, kann das hiermit nachholen: Die Utopie Leben). Der kommunistische Einfluss innerhalb des antifaschistischen Lagers wird grösser und paradoxerweise stellt sich dies als das Ende der Revolution heraus. Aus ideologischen und aussenpolitischen Gründen drängt die UdSSR unter der Führung Stalins darauf, dass in Spanien die Revolution nicht siegen darf. Schliesslich startet die kommunistisch geführte Regierung einen Angriff auf die revolutionären Gruppierungen, z.B. die POUM und die CNT. Es kommt zu Strassenkämpfen in Barcelona und das Lager derjenigen, die eigentlich zusammen gegen Franco und seine Truppen kämpfen wollen, zerfällt im Richtungsstreit über die Zukunft der Revolution und kriegspolitische Erwägungen. Am Ende wird die Miliz gewaltsam aufgelöst und durch eine Volksarmee ersetzt. Doch nicht nur die Revolution findet ein jähes Ende, auch der Krieg ist verloren und in Spanien beginnt die bis 1975 dauernde Herrschaft des Diktators Franco.

Die von Ken Loach erzählte Geschichte basiert zu einem grossen Teil auf den Berichten von George Orwell, der 1936 und 1937 selbst als Freiwilliger in der POUM-Miliz gekämpft hat. In seinem Buch Mein Katalonien finden sich viele Details, die in Land and Freedom aufgegriffen werden – die Läuse, die schlechten Gewehre, die Begeisterung für die sozialen Umwälzungen und den gelebten Sozialismus, schliesslich die Ernüchterung und Enttäuschung, die Flucht zurück nach England. Ebenso wie bei Orwell so ist auch in Loachs Film bewusst keine objektive Perspektive dargestellt, was dem Regisseur mitunter vorgeworfen wird. Hier geht es jedoch nicht um eine historische Darstellung der Ereignisse, zumindest nicht so wie in einem Geschichtsbuch. Hier geht es um die persönlichen Erfahrungen eines Menschen, der für seine Überzeugungen in den Krieg gezogen ist und darüber, was er während dieser Zeit erlebt hat, die Euphorie und den Schmerz, den Mut und die Verzweiflung, die Freundschaft und den Verlust.

Das mag als Problem aufgefasst werden, denn schliesslich entgeht dem Einzelnen leicht das grosse Bild der Geschichte, ist aber andererseits viel eindringlicher und emotional fesselnder als jedes Parteimanifest, denn hier findet sich der Grundbaustein der Geschichte. Wilhelm Diltheys Formulierung "Die Urzelle der geschichtlichen Welt ist das Erlebnis" greift hier perfekt und gibt dem Film seinen besonderen Reiz. Diesen besitzt er trotz der Tatsache, dass es sich um eine fiktive Geschichte handelt. Die enge Bezugnahme auf Orwells Augenzeugenbericht verleiht ihm dann aber trotzdem fast schon dokumentarischen Charakter.

In filmischer Hinsicht wartet Land and Freedom mit einer authentisch inszenierten historischen Landschaft auf, die in Farbe die Atmosphäre des Spanischen Bürgerkriegs erfolgreich vermittelt. Diese Authentizität wird in der Originalfassung noch unterstrichen von der Mischung verschiedener Sprachen. Während der Film die Geschichte selbst in Englisch erzählt, begegnet man auch spanischen Dialogen. Und nicht nur das, man findet sich in der internationalen Gruppe von MilizionärInnen in einem Gemisch verschiedener Akzente und Sprachen wieder. Zugegeben, wer des Spanischen nicht mächtig ist, wird einige Szenen nicht in ihrer Vollständigkeit erfassen können, doch würde eine Synchronisation die Perspektive des aus Liverpool stammenden Davids um einiges abschwächen. Zu seiner Erfahrung gehört es, dass er nicht alle spanischen Sätze versteht und so ergeht es auch den Zuschauern des Films. Auch dies trägt dazu bei, dass der Film an dokumentarischem Charakter gewinnt.

Obgleich Land und Freedom zunächst Menschen anspricht, die sich für Geschichte im Allgemeinen und den Spanischen Bürgerkrieg mit seinem tragischen Verlauf im Speziellen interessieren, bietet der Film auch für alle Anderen sehr gute Unterhaltung – falls man angesichts des Wissens um den historischen Hintergrund bei dieser Geschichte von Unterhaltung sprechen möchte. In 109 Minuten, die nie langweilig werden, erzählt Ken Loach nämlich v.a. eine Geschichte über Menschen und damit ein universal zugängliches Thema. Mag ihr Ende noch so tragisch und ihre Entscheidungen noch so folgenschwer gewesen sein, als Menschen waren die Protagonisten im Film Helden.

"I have the most evil memories of Spain, but I have very few bad memories of Spaniards." (George Orwell)

Breakout

Land and Freedom

Deutschland, Grossbritannien, Spanien

1995

-

109 min.

Regie: Ken Loach

Drehbuch: Jim Allen

Darsteller: Ian Hart, Rosana Pastor, Icíar Bollaín

Produktion: Rebecca O'Brien

Musik: George Fenton

Kamera: Barry Ackroyd

Schnitt: Jonathan Morris